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Kulturwissenschaftliche Fakultät

Lehrstuhl für Neueste Geschichte – Prof. Dr. Isabel Heinemann

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„Die Genossen muß man auch erziehen, daß sie die Gleichberechtigung der Frau begreifen.“ Eine geschlechterhistorische Untersuchung zum Ministerium für Staatssicherheit

Promovierender: Daniel R. Bonenkamp, Betreuerin: Isabel Heinemann

„Auch die Hauptfrau gab es nur in Witzen“, äußerte sich eine ehemalige Mitarbeiterin des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) in einem Interview für die deutsche Zeitung Taz im Jahr 1993, selbst zuständig für die Versorgung und Materialbeschaffung innerhalb der Behörde. Über die Arbeitsbedingungen für Frauen führte sie weiter aus: „Ich habe das an mir selbst gemerkt: drei Kinder, Haushalt, volle Berufstätigkeit. Irgendwann kommt jede Frau an den Punkt, wo sie an der Gesellschaft zweifelt – und dann doch wieder an sich. […] Frauen wurden, weil sie ja Kinder kriegten, in Funktionen eingesetzt, die nicht wirklich wichtig waren. Sie konnten besser sein als die Männer, wurden aber erst befördert, wenn sie aus dem gebärfähigen Alter heraus waren und immer noch Ambitionen hatten.“ Als die Berliner Mauer 1989 fiel, umfasste die ostdeutsche Geheimpolizei rund um Armeegeneral Erich Mielke einen Apparat von mehr als 90.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, mit einem Netz von mehr als 190.000 Informantinnen und Informanten. Somit gab jeder 180. DDR-Bürger Informationen über Nachbarn, Familienangehörige oder Kolleginnen und Kollegen an die Zentrale in der Berliner Normannenstraße weiter, stellte sich Mielke doch der Aufgabe, die eigene sozialistische Gesellschaft vollständig zu überwachen. Wer aber spionierte im Auftrag der stalinistischen Geheimpolizei? Von den knapp 200.000 Spionen waren lediglich 26.000 Frauen für das MfS im Einsatz. Dies führt unweigerlich zu der Frage, wie die vollständige Überwachung der ostdeutschen Gesellschaft gelingen konnte, wenn die Stasi mit fast sieben Mal mehr männlichen als weiblichen Spitzeln zusammenarbeite. Ähnlich verhielt es sich bei den hauptamtlichen Mitarbeitern: Im letzten Jahr der DDR befanden sich lediglich 14.259 Frauen in einem Arbeitsverhältnis, was in etwa 14,5 Prozent der gesamten Belegschaft entsprach.

Bereits Hitlers militärischer Abwehrchef Wilhelm Canaris konstatierte: „Intelligence is men’s service“. Es verwundert daher kaum, dass der bisherige Forschungsstand, warum Frauen im MfS in nachgeordneten Diensteinheiten tätig waren – wie die der Sekretärin, der Buchhalterin, der Übersetzerin, der Köchin oder im Zentralen Medizinischen Dienst – ähnlich argumentiert und hierfür drei wesentliche Aspekte anführt: so spricht beispielsweise der Historiker Philipp Springer „von einem militärischen Organ, durchdrungen vom gleichen Frauenbild und vom gleichen Korpsgeist männlicher Angehöriger wie etwa die Nationale Volksarmee, der Dreifachbelastung aus Berufstätigkeit, Haushalt und Familie sowie dem Zweifel, ob Frauen für eine geheimdienstliche Arbeit überhaupt geeignet seien.“ Welche Rolle spielten Frauen demnach für das MfS? Warum konnten sie bessere Leistungen erbringen als ihre männlichen Kollegen und waren ihnen dennoch untergeordnet? Aus welchen Gründen wurden sie in der Regel ausschließlich in subalternen Dienstleistungsfunktionen eingesetzt und arbeiteten daher nur selten in der ursprünglichen geheimdienstlichen Arbeit am Menschen? Wie wurde im MfS Gleichberechtigung definiert beziehungsweise verhandelt? Und welche Handlungsmöglichkeiten boten sich Frauen innerhalb des Geheimdienstapparates? Das vorliegende Promotionsprojekt möchte das Ministerium für Staatssicherheit erstmals aus einer geschlechterhistorischen Perspektive heraus betrachten und rückt als akteurszentrierte Studie hierfür die weiblichen Mitarbeiter in den Mittelpunkt der Betrachtung.

Das vorliegende Dissertationsprojekt möchte den oben aufgeworfenen Fragen anhand von vier aufeinander aufbauenden Kapiteln nachgehen: Der erste Abschnitt illustriert das ostdeutsche Frauenbild, das nicht nur auf der staatstragenden Ideologie, dem Marxismus-Leninismus, sondern auch auf die Nachkriegsordnungen des Zweiten Weltkriegs in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) basierte. Zentrales Untersuchungsmerkmal ist hierfür die Gleichstellungspolitik der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED), die etwa im Frauenkommuniqué aus dem Jahr 1961, den staatlichen Frauenkommissionen, dem Demokratische Frauenbund Deutschlands (DFD), die Mutti- und Familienpolitik ab den 1960er-Jahren sowie die gesetzlichen Rahmenbedingungen ein Jahrzehnt später, auch bekannt als Sozialpolitischen Maßnahmen der Ära Honecker mündeten. Hintergrund ist die Absicht, die patriarchale Gesellschaftsstruktur innerhalb der DDR auch in puncto Gesetzeslage zu rekonstruieren.

Im Anschluss an das Grundlagenkapitel gilt es, eine auf die Fragestellung ausgerichtete, kurze Institutionengeschichte des MfS zu erarbeiten. Dabei soll herausdestilliert werden, inwiefern die Arbeitsbedingungen im Ministerium von außen vorgegeben beziehungsweise eingeschränkt wurden und wie viel Mielke selbst entschied. Da selbst in einer Demokratie Geheimdienste nur sehr schwer kontrollierbar sind, wird es umso interessanter sein, entsprechenden Kontrollmechanismen in einer sozialistischen Diktatur nachzugehen. Die Analyse soll die Handlungsmöglichkeiten von Frauen untersuchen und eruieren, inwiefern es weiblichen Mitarbeitern gelang, aus der vorherrschenden Norm auszubrechen. Neben einer kurzen Zusammenfassung der Stasi soll dieser Abschnitt ebenso aufschlüsseln, in welchen Diensteinheiten Frauen überhaupt arbeiteten, welche Aufgaben sie hierbei übernahmen und insbesondere, ob sich dies über die Jahrzehnte hinweg veränderte. Da die Stasi innerhalb der DDR zu den bewaffneten Organen zählte, wird auch eine militärische Betrachtungsweise miteinbezogen, beispielsweise für Mobilisierungsplanungen im Anschluss an den 17. Juni 1953. 

Aufbauend auf den Ergebnissen der vorangegangenen Kapitel geht der dritte Abschnitt den Fragen auf den Grund, wie „homogen“ die Gruppe weiblicher Beschäftigter im MfS war und wie sich innere Unterschiede manifestierten. Wie wurde Heterogenität sichtbar und in welchen Situationen gewann oder verlor dies an Bedeutung? Was war dezidiert männlich? Was dezidiert weiblich? Demnach soll hier nicht nur die Männlichkeit, die Kameradschaft und das Patriarchat als „Norm“ einer Sichtweise von Frauen gegenübergestellt werden. Vielmehr gilt es, die aus den ersten beiden Teilen rekonstruierten gesetzlichen Bestimmungen hinsichtlich einer arbeitsrechtlichen Gleichstellung zu beleuchten. Genossen die weiblichen Mitarbeiter dieselben Vorteile wie Frauen außerhalb der Geheimpolizei? Wie gingen die verantwortlichen Stasikader mit Gesetzen um, die einer geheimpolizeilichen Tätigkeit entgegensprachen? Zu nennen sind hier insbesondere die Umsetzung der 40-Stunden-Woche, des „Babyjahres“ oder des monatlichen Haushaltstages. Anlehnend an das Prinzip des „doing gender“ soll ergründet werden, ob diese Maßnahmen auch bei alleinerziehenden oder geschiedenen Männern galten, oder ob sich hier ein Unterschied in biologisches und soziales Geschlecht bemerkbar macht. Der letzte Abschnitt dient dazu, einige Differenzkategorien zu operationalisieren: Hierfür sollen die Beispiele Alter, die Geheimdienstkonfrontation im Kalten Krieg sowie der Alkoholmissbrauch innerhalb des Ministeriums veranschaulichen, ob und wenn unter welchen Umständen sich dabei die Kategorie Geschlecht bemerkbar machte. Ein Ziel der Studie ist es, einen Einblick in die Arbeitsweise der Geheimpolizei eines demokratisch nicht legitimierten Staates zu bekommen.

Gefördert von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur: Link


Verantwortlich für die Redaktion: Univ.Prof.Dr. Isabel Heinemann

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