Monographie: Geschlechtergeschichte Deutschland nach 1945
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Die Monographie plädiert für eine Neuzentrierung der deutschen Geschichte nach 1945 aus der Perspektive auf Geschlecht – einer konsequent umkämpften Kategorie. In der Bundesrepublik stand das Gleichberechtigungsgebot des Grundgesetzes in deutlichem Widerspruch zu einer traditionellen Geschlechter- und Rechtsordnung, was heftige Deutungskonflikte auslöste. Demgegenüber setzte die DDR Gleichberechtigung mit weiblicher Erwerbsarbeit gleich, wurde ohne sich um die innerfamiliäre Rollenverteilung oder Aufstiegs- und Partizipationschancen von Frauen zu kümmern, was massiv zur Unzufriedenheit der DDR-Bürgerinnen mit dem als „patriarchal“ begriffenen Staat beitrug. Die wiedervereinigte Bundesrepublik versuchte zunächst, die Unwucht in der Ausgestaltung der Frauenrechte in beiden Staaten (Erwerbsarbeit, staatliche Kinderbetreuung, Abtreibungsregelung) durch eine Betonung der patriarchaler Strukturen zu lösen, Reformen mussten erneut mühsam erstritten werden. Doch all diese Kämpfe um „Frauenfragen als gesellschaftliche Grundfragen“ (Ina Merkel) fanden kaum Eingang in die überwiegend geschlechterblinden Masternarratives der deutschen Zeitgeschichtsforschung.
Die konsequent geschlechterhistorische Perspektive ermöglicht folglich nicht nur eine Darstellung des intensive Ringens der Zeitgenossinnen und -genossen um Gleichberechtigung und Geschlechterordnung in Demokratie und sozialistischer Gesellschaft, sondern vor allem auch eine lange geforderte integrierte Geschichte der beiden deutschen Gesellschaften und des wiedervereinten Deutschlands. Über die zentrale Untersuchungskategorie Geschlecht lassen sich longue-durée Perspektive, intersektionale Analyse und transnationale Kontextualisierung verbinden. So werden neue Zäsuren der Zeitgeschichte sichtbar, andere verlieren ihre Prägnanz. Vor allem aber treten Frauen als politische und gesellschaftliche Akteurinnen in den Fokus zeithistorischer Analyse. Drei Zugriffe auf Geschlecht und Staat, Geschlecht und Arbeit, Geschlecht und Raum strukturieren die Untersuchung.